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Innovationen in der Straßenverkehrsinfrastruktur gestalten - sicher, nachhaltig, digital -

Dokumentation zur Veranstaltung vom 31. Mai 2022 in der Landesvertretung Baden-Württemberg
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Die Straßenverkehrsinfrastruktur der Zukunft muss nachhaltiger und digitaler werden, um die wachsenden Herausforderungen im Verkehrsbereich bewältigen zu können. Es gilt, die Qualität der Straßeninfrastruktur zu verbessern, ihre Erhaltung zu sichern und die negativen Umweltwirkungen des Verkehrs weiter zu verringern. Neben finanziellen, juristischen und organisatorischen Anstrengungen bedarf es dafür innovativer Konzepte und intelligente Produkte - über die es sich zu diskutieren lohnt. Um den Dialog zu fördern und aktuelle Entwicklungen in der Verkehrspolitik aufzuzeigen, lud Pro Mobilität und deren Präsident Eduard Oswald am 31. Mai 2022 zur öffentlichen Veranstaltung „Innovationen in der Straßenverkehrsinfrastruktur gestalten - sicher, nachhaltig, digital“ in die Landesvertretung Baden-Württemberg ein.

Dabei wurde den rund 130 Gästen aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Verbänden ein vielfältiges Programm geboten. Neben einem Grußwort des Dienststellenleiters der Vertretung des Landes Baden-Württembergs beim Bund, Andreas Schulze und einer Rede des Bundesverkehrsministers Dr. Volker Wissing MdB konnten sich die Teilnehmer auf einen interessanten Vortrag des Präsidenten der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) Prof. Markus Oeser zu aktuellen Forschungsprojekten freuen. Zum Abschluss diskutierten neben Prof. Oeser, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ulrich Lange MdB, der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Bauwerksmonitoring e.V., Jens Kühne und Thomas Puls, Senior Economist Institut der Deutschen Wirtschaft Köln e.V., über Herausforderungen bei der Implementation von Innovationen in der Straßenverkehrsinfrastrukturbranche.

Nach einer kurzen Begrüßung durch Eduard Oswald, Bundesvizepräsident a.D., Bundesminister a.D. und Präsident von Pro Mobilität, der die Bedeutung persönlicher Begegnungen nach zwei langen Jahren des Verzichts betonte, sprach der Dienststellenleiter der Landesvertretung Baden-Württemberg, Andreas Schulze, ein Grußwort. Herr Schulze freute sich, dass Pro Mobilität nach den Veranstaltungen in Jahren 2018 und 2019 auch 2022 die Landesvertretung Baden-Württemberg als Veranstaltungsort für das jährliche Branchentreffen gewählt hätte. Der Titel der Veranstaltung suggeriere eine Diskussion über die Zukunft der Mobilität, die jedoch bereits begonnen hätte. So sei im vergangenen Jahr das erste europäische Gesetz zum autonomen Fahren verabschiedet worden und der Verordnung vor kurzem auch im Bundesrat zugestimmt worden. Dies ermögliche den Einsatz autonomer Fahrzeuge auch abseits von Pilotprojekten im öffentlichen Straßenraum und könne eine wichtige Rolle bei der Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehr spielen. Daneben sei die weitere Steigerung der Verkehrssicherheit eines der obersten Ziele, was den Blick auf die digitale Infrastruktur lenke, die auch im Fokus der Veranstaltung stehe. Baden-Württemberg sehe sich in der Spitzengruppe, wenn es um nachhaltige, intermodale und digitale Mobilität gehe und habe seit Anfang des Jahres im Landesverkehrsministerium eine eigene Abteilung für vernetzte und digitale Mobilität geschaffen, um Innovationen aktiv zu fördern. Als Gastgeber wünschte Herr Schulze zum Abschluss seines Grußwortes den Teilnehmenden einen spannenden Abend mit interessanten Redebeiträgen uns Gesprächen.

In seiner Eröffnungsrede dankte der Präsident von Pro Mobilität, Eduard Oswald, Verkehrsminister Dr. Volker Wissing MdB für sein bisheriges Engagement und versicherte die volle Unterstützung durch Pro Mobilität für die vor uns liegenden, großen Herausforderungen im Verkehrssektor. „Ohne Straße geht es nicht“, so Oswald, der die Bedeutung einer leistungsfähigen Straßeninfrastruktur und eines zuverlässigen, sicheren und bedürfnisorientierten Verkehrssystems für den Wohlstand des Wirtschaftsstandorts Deutschland betonte. Gleichzeitig wies er auf die Notwendigkeit eines Zusammenspiels sämtlicher Verkehrsträger hin. Ein Gegeneinander zwischen Straße und Schiene schade dem Gesamtverkehrssystem und verhindere die Lösung der elementaren Probleme im Güter- und Personenverkehr. Die Verstetigung eines hohen Investitionsniveaus bei allen Verkehrsträgern und die Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren seien dabei weiterhin von hoher Priorität. Vor dem Hintergrund des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Putins gegen die Ukraine warnte Oswald vor steigenden Energiepreisen, Rohstoffknappheit und Lieferkettenproblemen. Frieden in Freiheit sei bei all diesen Problemen dennoch stets das höchste Gut.

Nach der Begrüßung der Gäste durch Andreas Schulze und Eduard Oswald erwartete das Publikum die Rede des Bundesministers für Digitales und Verkehr, Dr. Volker Wissing MdB. Der Bundesminister dankte für die Einladung und freue sich darauf gemeinsam mit Verkehrsverbänden wie Pro Mobilität daran zu arbeiten, die Gesellschaft mobil zu halten. Es müsse alles dafür getan werden, die Mobilität klimaneutral zu gestalten und dabei sei die Straße, aufgrund Ihrer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland, die Versorgungssicherheit und eine hohe Lebensqualität, unverzichtbar. Straßen hielten unser Land in Bewegung und zusammen, so Dr. Wissing MdB. Ein verstetigtes hohes Investitionsniveau beim Verkehrsträger Straße sei Grundlage zum Abbau des Sanierungsstaus bei Fahrbahnen und vor allem Ingenieurbauwerken, die durch die stetig zunehmenden Verkehre im besonderen Maße belastet seien. Bei Brückengipfel im März habe der Minister im Austausch mit Experten aus Bauwirtschaft, Verwaltung und Vertretern aus Natur- und Umweltschutzverbänden das „Zukunftspaket leistungsfähige Autobahnbrücken“ beschlossen. Das Ziel sei es, die Zahl der jährlich fertig modernisierten Brücken von derzeit 200 auf 400 Brücken(teil)bauwerke zu verdoppeln, um in weniger als 10 Jahren, die etwa 4.000 maroden Brücken im Kernnetz zu ertüchtigen. Dazu sollen die Erhaltungsmittel von derzeitig 4,5 Mrd. Euro bis 2026 auf 5,7 Mrd. Euro erhöht werden. Planungs- und Genehmigungsprozesse wolle der Minister weiter vereinfachen und beschleunigen, nicht zuletzt durch die stärkere Digitalisierung dieser Prozesse. Auch beim Bau gäbe es Potentiale zur Beschleunigung, beispielsweise durch die flächendeckende und bundeseinheitliche Verwendung von Building Information Modelling ab 2025. Dr. Wissing betonte noch einmal die Wichtigkeit von Fahrzeug- und Infrastrukturdaten sowie digitaler Verkehrsleitsysteme u.a. für das autonome Fahren. Dieses biete wiederum Chancen für die Verkehrssicherheit – die Vision Zero sei dabei weiterhin das klare Ziel des Bundesverkehrsministeriums. Im Hinblick auf Infrastrukturen für alternative Kraftstoffe führte Dr. Wissing MdB aus, dass sämtliche Möglichkeiten, von der Elektromobilität über Wasserstoffantriebe bis hin zu E-Fuels gebraucht würden, da die jeweiligen Einsatzfelder unterschiedlich und das Universalmodell des Verbrennungsmotors nicht eins zu eins zu ersetzen sei.  Technologieoffenheit sei hier das Stichwort um die individuellen Mobilitätsbedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft erfüllen zu können. Ob beim Klimaschutz, der Nachhaltigkeit, der Digitalisierung oder der Verkehrssicherheit – Innovationen sorgten für Fortschritt, führt der Minister aus.

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Markus Oeser, Präsident und Professor der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) referierte im Anschluss über „Straßenverkehr und -infrastruktur: digital, klimafreundlich, sicher“. Prof. Oeser nahm dafür fünf zentrale Themen- und Betätigungsfelder der BASt in den Blick: die Digitalisierung des Verkehrs, das automatisierte und vernetzte Fahren, die aktive Mobilität und Interaktion der Verkehre, Energie und Verkehr sowie die Digitalisierung der Infrastruktur. Zu Beginn gab Prof. Oeser einen kurzen geschichtlichen Überblick über die ersten Projekte und Formate , die sich mit der Vernetzung von Fahrzeugen, der Infrastruktur und prinzipiell allen Verkehrsteilnehmern befassten, darunter Cooperative ITS, C-Roads, den Nationalen Zugangspunkt (NAP), dem Projekt Data For Road Safety (DFRS) und dem Digitalen Zwilling Straßenverkehr. Auf dieser Grundlage kam Prof. Oeser auf den aktuellen Stand beim automatisierten Fahren und den fortbestehenden Herausforderungen zu sprechen. Einer vollständigen Automatisierung der Stufe 5 gehe dabei der vorher erwähnte Digitale Zwilling Straßenverkehr voraus, bei dem hochaktuelle Informationen zur Straßeninfrastruktur und dem Verkehrsgeschehen aus verschiedenen Quellen in einem digitalen Abbild der Realität zusammengeführt werden. Anhand des Maßnahmenplans „Pakt für Verkehrssicherheit“ führte Prof. Oeser aus, wie beispielsweise durch die Verbesserung der Sensorik und der Notfall-Assistenzsysteme, die aktive Mobilität in Interaktion mit konventionellen, motorisierten Verkehren zukünftig sicherer werden kann und wie die BASt durch digitale Modellierung von Unfallhergängen, Gefahrenpotentiale besser als bisher identifizieren kann. Die notwendige Sektorkopplung (Energie und Verkehr) beinhalte, laut Prof. Oeser, für die Infrastruktur große Herausforderungen und Chancen. Dabei bestünden in dieser Thematik enge Kooperationen zwischen Straßenbetreibern, Forschungseinrichtungen, der Industrie und internationalen Dachorganisationen, um Energie direkt an der Infrastruktur zu erzeugen und zu nutzen. Zu Potentialen der Digitalisierung der Infrastruktur erläuterte Prof. Oeser am Beispiel des Digitalen Zwillings von Brücken die Vorteile eines Lebenszyklusmanagements als Grundlage für prädiktive Erhaltungsstrategien zur Gewährleistung der Sicherheit, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit. Neben der digitalen Planung und dem Betrieb von Ingenieurneubauten gelte es Verfahren zur (teil-) automatisierten Erstellung von BIM-Modellen für Straßenbrücken im Bestand zu entwickeln. Bauwerksprüfungen ließen sich so in Zukunft flächendecken mittels virtueller Realität durchführen, was neben oben genannten ökonomischen Faktoren, auch einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leiste.

PowerPointPräsentation des Vortrags von Prof. Oeser

In der folgenden Gesprächsrunde, die von Christian Funke, Geschäftsführer von Pro Mobilität geleitet wurde, diskutierten Prof. Oeser, Ulrich Lange MdB, Jens Kühne und Thomas Puls über Hindernisse und Herausforderungen beim Überführen von Innovationen in die Praxis. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Ulrich Lange MdB, sah in der Reform der Bundesfernstraßenverwaltung und der damit verbundenen Gründung der Autobahn GmbH des Bundes einen wichtigen Meilenstein. Durch die bundesweite Vereinheitlichung der Standards sei die Grundlage geschaffen worden, um den elementaren Sanierungs- und Erhaltungsstau unter Zuhilfenahme innovativer digitaler Prozesse schneller und effizienter aufzulösen. Den Wert der Gründung der Autobahngesellschaft sowie des Fortschreibens des Investitionshochlaufs bei der Straße werde man erst in einigen Jahren zu schätzen wissen. Prof. Oeser lobte die Kontinuität bei der Infrastrukturfinanzierung und den verstärkten Fokus auf Ingenieurbauwerke, als sensibelster Teil der Straßenverkehrsinfrastruktur. Vor allem in diesem Bereich werde bereits heute auf eine Vielzahl innovativer, digitaler Prozesse bei der Planung, beim Bauwerksmonitoring und neuen Bauverfahren und -produkten zurückgegriffen.

Thomas Puls, Senior Economist Institut der Deutschen Wirtschaft Köln e.V., sah im Fachkräftemangel einen bedeutenden limitierenden Faktor für die vom Verkehrsministerium angestrebte Ertüchtigung von 400 Brücken jährlich. Deshalb müsse man sämtliche digitalen Prozesse und Produkte nutzen, die dazu beitragen, den Arbeitsaufwand für die mit Planung, Bau und Betrieb befassten Personen zu reduzieren, da sich die Personalkapazitäten auch in den kommenden Jahren nicht steigern werden lassen. Der Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Bauwerksmonitoring e.V., Jens Kühne, konstatierte, dass im digitalem Bauwerksmonitoring und der tagesaktuellen Erfassung zahlreicher Zustandsindikatoren über Messtechnik eine Möglichkeit bestünde, Personal zu entlasten, wobei dies jedoch nicht unmittelbar den Fachkräftemangel auflöse. Einigkeit herrschte unter den Teilnehmern der Gesprächsrunde über die Notwendigkeit einer attraktiven Nachwuchsrekrutierungsstrategie in zahlreichen mit der Straßenverkehrsinfrastruktur befassten Ausbildungsberufen. Darüber hinaus müsse es gelingen, die Bedeutung der Verkehrsinfrastruktur für Wohlstand, Wirtschaft und die individuelle Freiheit jedes Einzelnen stärker als bisher im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit zu verankern, um auch eine größere Akzeptanz für notwendige Infrastrukturprojekte zu schaffen.

Auch der Präsident von Pro Mobilität, Eduard Oswald, wies in seinem Schlusswort noch einmal die enorme Bedeutung einer zuverlässigen, effizienten und sicheren Verkehrsinfrastruktur hin und warnte vor einer latenten Technikfeindlichkeit in Teilen der deutschen Gesellschaft. Technik sei die Zukunft und nur über innovative, technische Errungenschaften seien die enormen Herausforderungen, die sich die Verkehrsinfrastrukturbranche stellen müsse, zu meistern. Herr Oswald bedankte sich herzlich bei sämtlichen Rednern und Diskutanten und den geladenen Gästen der Informationsveranstaltung aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden.  

Im Anschluss an die informativen Redebeiträge wurde der Abend bei erfrischenden Getränken und baden-württembergischen Spezialitäten ausklingen lassen. Zahlreiche anregende Gespräche und Diskussionen unter den Gästen rundeten die diesjährige öffentliche Veranstaltung des Verkehrsinfrastrukturverbandes ab.