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Infrastrukturabgabe / Pkw-Maut - Anmerkungen zum Gesetzentwurf vom 15. Februar 2015

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(1) Pro Mobilität nimmt zur Kenntnis, dass die Bundesregierung in Umsetzung des Koalitionsvertrages ein Gesetzgebungsverfahren zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen eingeleitet hat und sie in der geplanten Abgabe einen Schritt zur Ausweitung der Nutzerfinanzierung sieht.

(2) Für die Akzeptanz einer Infrastrukturabgabe, die von Pkw und Wohnmobilen aus dem In- und Ausland zu entrichten sein soll, ist eine Verbesserung der Qualität der Fernstraßen eine der wesentlichen Voraussetzungen. Dies gilt auch für den Fall einer für Inländer belastungsneutralen Einführung. Der Nutzer erwartet zu Recht, dass sich der Zustand von Fahrbahnen und Brücken verbessert, es zu weniger Staus kommt und Unfallschwerpunkte entschärft werden. Deshalb ist das Aufkommen vollständig für Erhalt, Ausbau und Betrieb dieser Straßen zu verwenden. Hierzu bedarf es Regelbindungen. Dabei sind vor allem drei Maßnahmen entscheidend, die schon für sich allein, aber vor allem gemeinsam ein Signal der Verlässlichkeit geben:

a. eine enge Zweckbindung des Aufkommens für die Fernstraßen als der Infrastruktur, für deren Nutzung die Abgabe erhoben wird,

b. die Zusätzlichkeit, also die Aufstockung des bisherigen Finanzierungsniveaus der Fernstraßen durch das (Netto-)Aufkommen der Abgabe, und

c. ein klarer institutioneller Rahmen in Form eines Finanzierungskreislaufes und effizienter, transparenter Organisationsstrukturen.

Diese Bedingungen sehen wir durch den Gesetzentwurf nicht hinreichend erfüllt.

>> Eine enge Zweckbindung des Aufkommens für die Fernstraßen steht nicht im Gesetzestext selbst, sondern nur in dessen Begründung. Sie beschränkt sich auch nur auf die von ausländischen Fahrzeughaltern erhobenen Mittel. Es handelt sich somit um eine Absichtserklärung dieser Regierung. Durch die Aufnahme einer Zweckbindung des gesamten Aufkommens für die Fernstraßen in den Gesetzestext in § 14 könnte hier rechtliche Verbindlichkeit erreicht werden.

>> Zusätzlichkeit des Nettoaufkommens der Abgabe wird wie beschrieben in der Gesetzesbegründung angekündigt und muss in der Haushaltspolitik Jahr für Jahr gelebt werden. Durch die vollständige Zweckbindung des gesamten Aufkommens der Abgabe für die Fernstraßen würde die Zusätzlichkeit auch für die Zukunft fixiert.

Durch die Einführung von Freibeträgen bei der Kfz-Steuer entstehen dem Bundesfinanzministerium Mindereinnahmen in Höhe der Infrastrukturabgabe inländischer Fahrzeughalter (bis zu drei Milliarden Euro pro Jahr.  Ein Ausgleich des Bundesfinanzministeriums aus dem steuerfinanzierten Teil des Fernstraßenetats in dieser Höhe ist gemäß Finanzplanung des Bundes bis 2018 möglich.

>> Die Einbindung der Infrastrukturabgabe in den klaren institutionellen Rahmen eines Finanzierungskreislaufs Straße ist bisher nicht erkennbar. Die Koalition setzt im Bereich der Straße auf eine Ausweitung der Gebührenfinanzierung. Sie sollte die Organisationsstrukturen für die Fernstraßen ebenfalls in den Blick nehmen und ein Gesamtkonzept entwickeln, das eine effizientere Mittelverwendung gewährleistet.

(3) Pro Mobilität ruft die von der Koalition im Koalitionsvertrag selbst gesetzten Vorgaben in Erinnerung:

Koalitionsvertrag S. 29: „Zur zusätzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes werden wir einen angemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen PKW erheben (Vignette) mit der Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute. Die Ausgestaltung wird EU-rechtskonform erfolgen.“

Die rechtlichen Festlegungen zur Verwendung des Aufkommens im Gesetzentwurf (Zweckbindung) genügen nicht den Vorgaben des Koalitionsvertrages. Dieser sieht einen Beitrag zur zusätzlichen Finanzierung der Autobahnen vor. Angesichts der Einbeziehung der Bundesstraßen in die Abgabenpflicht ist eine Erweiterung der Mittelverwendung auf Bundesstraßen gerechtfertigt. In § 14 InfrAG ist hingegen eine weiter gefasste Zweckbindung des Aufkommens für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur im Allgemeinen vorgesehen.

(4) Ungeachtet der politischen Vorgaben des Koalitionsvertrages gibt es wichtige Gründe zur vollständigen Zweckbindung des Aufkommens der Infrastrukturabgabe für die Fernstraßen:

a. Eine Zweckbindung des gesamten Aufkommens für die Fernstraßen würde anerkennen, dass Halter von Pkw und Wohnmobilen bereits heute über die Zahlung von Kraftfahrzeugsteuer und Mineralöl-/Energiesteuer zur Finanzierung

  • des Bundesfernstraßennetzes,
  • anderer Aufgaben des Bundes im Verkehr sowie
  • weiterer Staatsaufgaben

ganz erheblich beitragen. Mit einem Aufkommen von über 50 Milliarden Euro pro Jahr erhält der Bund jeden sechsten Euro seiner Einnahmen aus den spezifischen Steuern und Abgaben der Straßennutzer. Eine Würdigung des schon heute bestehenden Finanzierungsbeitrags der Straße für andere Aufgaben im Verkehr ist angebracht. Der Bund sollte sich seiner Verantwortung für andere Verkehrswege stellen und dort notwendige Investitionen aus dem Steueraufkommen finanzieren.

b. Eine Zweckbindung des gesamten Aufkommens für die Fernstraßen würde eine Einbindung in eine noch ausstehende zukünftige Gesamtkonzeption für die Organisation und Finanzierung der Fernstraßen erleichtern. Pro Mobilität hält einen solchen institutionellen Rahmen, der auch die Empfehlungen der Kommissionen von Pällmann bis Bodewig prägte, weiterhin für erforderlich.

c. Eine Zweckbindung des gesamten Aufkommens für die Fernstraßen wäre angesichts der zahlreichen Mautpläne der Koalition in den nächsten Jahren ein Bekenntnis, den steuerfinanzierten Teil der Straße nicht parallel zur Zunahme des Nettoaufkommens aus den geplanten Ausweitungen der Lkw-Maut und aus der Infrastrukturabgabe abschmelzen, sondern die Investitionslücke schließen zu wollen.

Die Erfahrungen nach der Einführung der Lkw-Maut ab 2005 sollten sich nicht wiederholen. Aufgrund des Rückgangs der steuerfinanzierten Ausgaben für Straßen konnte die Lkw-Maut trotz eines hohen Aufkommens bisher nur einen geringen Beitrag zur Verringerung der Investitionslücke leisten.

d. Eine Zweckbindung des gesamten Aufkommens für die Fernstraßen wäre eine verlässliche Festlegung zur Mittelverwendung für die Zukunft, die weitere Diskussionen erübrigen würde, selbst wenn es in späteren Jahren zu Veränderungen der Kfz-Steuer oder der Infrastrukturabgabe kommen würde.

e. Eine Zweckbindung des gesamten Aufkommens für die Fernstraßen wäre eine Klarstellung gegenüber der EU, dass das Nettoaufkommen ausländischer Fahrzeughalter tatsächlich dauerhaft der genutzten Infrastruktur zugutekommt. Eine Erwähnung in der Gesetzesbegründung stellt dies nicht sicher.

f. Eine Zweckbindung des gesamten Aufkommens für die Fernstraßen wäre ein Beitrag zur Gleichbehandlung der Verkehrswege. Für die Schiene wurden gerade Finanzierungskreisläufe bestätigt und erweitert, die in der Summe von Trassenentgelten, der Zuweisung der Dividende und der neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung eine mehrjährig verlässliche Finanzausstattung gewährleisten. Dies begrüßen wir und halten die Stärkung der Selbstbindungen auch bei den Fernstraßen für erforderlich.

(5) Für Autobahnen und Bundesstraßen sind im Etat 2015 und in der Finanzplanung bis 2018 jährlich steuerfinanzierte Ausgaben von mindestens drei Milliarden Euro vorgesehen. Eine Kompensation des Bundesfinanzministeriums für die Einführung von Freibeträgen in der Kfz-Steuer in Höhe von anfangs drei Milliarden Euro lässt sich somit in der Finanzplanung für Fernstraßen darstellen.

(6) Als Einwand gegen eine Zweckbindung des Aufkommens der Infrastrukturabgabe wird angeführt, in den nächsten Jahren würde gemeinsam mit den von der Koalition geplanten weiteren Schritte zur Ausweitung der Lkw-Maut ein Aufkommen erzielt, das den Finanzierungsbedarf der Fernstraßen übersteigen würde. Angesichts des großen Investitions-staus bei den Bundesfernstraßen halten wir dies nicht für gerechtfertigt. Eine enge Zweckbindung des gesamten Aufkommens würde außerdem dafür sorgen, Mautpläne und Finanzbedarf in finanzieller Balance zu halten und ein Überschießen vermeiden.

(7) Der Bundeshaushalt sollte die Einnahmen und Ausgaben der Infrastrukturabgabe transparent ausweisenund, wie vom Haushaltsausschuss des Bundestages kürzlich beschlossen, die Bewirtschaftung durch die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) des Bundes vorsehen.

(8) Im Hinblick auf die anstehende Verteilung der Mittel des „10-Milliarden-Euro-Programms“ sollte in den im März 2015 zu beschließenden Eckpunkten zum Etatentwurf 2016 und der Finanzplanung 2017 bis 2019 ein realistischer Starttermin für die Infrastrukturabgabe und der daraus zu erwartenden Einnahmen eingeplant werden.